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Vererbung als ein Puzzle: Kombinatorische und epistatische Effekte in der Farbgenetik der Haustaube

Die bunte Palette der Taubenfärbungen ist das Ergebnis der Kombinationen von Farbfaktoren. Sind diese für die Eltern bekannt, kann man voraussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Farbenschläge in der Nachzucht erscheinen werden. Das methodische Vorgehen kann man an jeder Farbenschlaggruppe erlernen. Exemplarisch demonstriert hier in der eigenen Zucht ein Beispiel ‚Platin‘.

Im Nest sind ein schwarzes und ein platin-bindiges Jungtier. In der vorrangehenden Brut ist ein einfarbiger platin Täuber gezogen worden. Der Vater hat genetisch eine schwarze Grundfarbe und ist auch äußerlich ein einfarbig Schwarzer. Von der Abstammung her ist er mischerbig für den rezessiven Faktor Platin. Genetisch hat er zusätzlich zum genetischen Code für die schwarze Grundfarbe, zumindest mischerbig, den dominanten Farbausbreitungsfaktor Spread (S). Erst dieser macht aus blauen und blaugehämmerten Tauben, die auch eine schwarze Grundfarbe haben, Schwarze. Da der Täuber ein bindiges (Nicht-Spread) Jungtier hat, ist er für S mischerbig. S überdeckt (epistatisch) die Zeichnungen. In der Familie vorhanden sind an Zeichnungsanlagen nur Binden und die dominante Hämmerung. Der Täuber ist von der Erscheinung der Eltern her vermutlich zumindest mischerbig gehämmert. Reinerbig können beide Eltern für die Hämmerung nicht sein. Sonst hätte kein bindiges Jungtier fallen können. Das einfarbig Platinweibchen hat genetisch, wie der Täuber, eine schwarze Grundfarbe. An dem bindigen Jungtier erkennbar, auch nur mischerbig für Spread. Bei den Zeichnungen, aus den gleichen Gründen wie beim Täuber, vermutlich Gehämmert/Bindig.

 

Abb. 1: Pommersche Schaukappen Täuber schwarz und Weibchen Platin mit Farbausbreitungsfaktor

 

Abb. 2: Aus dem Paar in Abb. Jungtiere Platin mit Binden und Schwarz (links) und junger platin Täuber mit Farbausbreitungsfaktor in der Mauser (rechts). Platinfarbene Täuber mit Farbausbreitungsfaktor sind heller gefärbt als die Weibchen.

Für viele Züchter handelt es sich um eine einzige Paarung, ein Schwarzer mit einer Platinfarbenen. Aus genetischer Sicht sind es auf der Ebene der beteiligten Genpaare gleichzeitig mehrere Paarungen, die zunächst getrennt untersucht werden (Abb. 3). Beide Eltern sind reinerbig für die schwarze Grundfärbung (Code für schwarzes Pigment). Damit sind bei den Jungtieren nur Tiere mit der schwarzen Grundfarbe zu erwarten. Das muss nicht im Punnettschen Quadrat gezeigt werden. Anders beim Farbausbreitungsfaktor Spread. Beide Eltern sind mischerbig. Nach Mendel ist dann die Hälfte der Jungtiere, wie die Eltern, mischerbig für S (S//+) und zeigt den dominanten Faktor S, ein Viertel ist reinerbig (S//S) und ein Viertel hat ihn nicht. Dieses Viertel hat Binden oder eine Hämmerung. Auf der Ebene des Platinfaktors ist das Weibchen reinerbig für Platin, der Täuber mischerbig. Nach Mendel werden bei einer solchen Konstellation die Hälfte der Jungtiere reinerbig Platin (pl//pl) sein und das auch äußerlich zeigen. Die anderen wird den Faktor mischerbig haben. Da Platin rezessiv ist, werden sie kein Platin zeigen. Schließlich ist in diesem Beispiel die Zeichnung relevant. Beide Eltern scheinen nach den Vorinformationen mischerbig für die Hämmerung und die Binden zu sein. Wieder nach Mendel, daraus wird man zur Hälfte mischerbig gehämmerte Jungtiere erhalten, zu einem Viertel reinerbige Gehämmerte und zu einem Viertel bindige Jungtiere.

Abb. 3: Punnett’sche Quadrate für den Farbausbreitungsfaktor, für den Platinfaktor und für die bei Tauben mit dem Spread-Faktor verdeckten Zeichnungen.

Kombinieren wir die Informationen aus den Punnettschen Quadraten, dann sieht man, u.a. im Quadrat des Farbausbreitungsfaktors, dass nur ¼ der Jungtiere den Faktor nicht hat. Im Quadrat für den Platinfaktor kann man ablesen, dass die Hälfte reinerbig für Platin sein wird. Das Zeichnungs-Quadrat zeigt, dass ¼ der Jungtiere genetisch bindig sein wird. Bei dem größeren Teil allerding epistatisch überdeckt durch Spread (Abb. 4).

Das bindige platinfarbene Jungtier ist damit ein seltenes Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit dieser Faktorkombination ist multiplikativ aus den Quadraten berechnet etwa ¼ x ½ x ¼ = 1/32. An Färbungen wird man bei zahlreichen Nachkommen auch Blaubindige, Blaugehämmerte und Platingehämmerte aus dem Paar erhalten.

Abb. 4: Exemplarisch die kombinatorischen Effekte von Farbgenen unter Beachtung der epistatischen Wirkung von Spread

Vererbung wird hier exemplarisch als ein logisch aufgebautes Puzzle vermittelt. Mit dem gleichen didaktischen Prinzip lassen sich auch andere Paarungen betrachten. Für die kürzlich englisch-, niederländisch und -französischsprachig editierte ‚Einführung in die Taubengenetik‘ wurde ein Begleitheft mit Aufgaben und Lösungen entworfen. Damit kann man sich spielerisch mit den wesentlichen Mechanismen der Genetik bei Tauben vertraut machen. Auf dem Cover das didaktische Grundprinzip für eine andere Farbkonstellation vorangestellt. Wie Eingeweihte an den Symbolen auf dem Cover unmittelbar erkennen, ist bei der dort vorgestellten Paarung mit Dominant Rot auch ein geschlechtsgebundener Erbgang beteiligt.

Abb. 5: Kombinatorische und Epistatische Effekte als leitendes Motiv auf dem Cover, Introduction to Heredity in Pigeons (English, Dutch, French) 2022, und Vererbung bei Tauben 1980

Literatur:

Hollander, W.F., Origin and Excursion in Pigeon Genetics, Kansas 1983

Levi, W. M., The Pigeon, Sumter 1941, reprinted 1969

Sell, Axel, Introduction to Heredity in Pigeons with a supplement Comprehensive Questions, Achim 2022 (auch niederländisch und französischsprachig)

Sell, Axel, Pigeon Genetics. Applied Genetics in the Domestic Pigeon, Achim 2012

Sell, Axel, Vererbung bei Tauben, Traventhal 1980